Von einer Bananenrepublik ohne Bananen und mit viel Erdöl

Venezuela

Samstag, 6. Juni 2009

Geldbeschaffung mit allen Mitteln

Venezuelas Staatsfinanzen befinden sich in der Krise. Nicht nur die negativen Entwicklungen des weltweiten Finanzsektors, sondern vor allem die unvernünftige Konzentration auf die Entwicklung des Ölpreises als Bedingung für Wohl oder Wehe der Nation, zwingen das Regime zu Kürzungen und neuen Schulden - auch auf ungesetzlichen Wegen.

Der Monatsbericht des Banco Central de Venezuela (Februar) zeigt, dass allein in den ersten zwei Monaten von 2009, bei Gegenüberstellung von regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben, die Zentralregierung ein Defizit von 2,4 Mrd. US$ (zum ofiziellen Wechselkurs) zu verzeichnen hat.
Währen die realen Einnahmen in diesem Zeitraum um 42% schrumpften, gingen die realen Ausgaben um 29% zurück. Der Rückgang der Mittelzuflüsse lässt sich zu einem großen Anteil durch die Verringerung der Erdölexporteinnahmen erklären.
Um dieser Lage Herr zu werden, kürzte die Regierung den Haushalt um 5%, erhöhte die Mehrwertsteuer um 30% auf 12% und griff auf eine interne Neuverschuldung von ca. 17,3 Mrd. US$ zurück, um den Haushalt 2009 (72,8 Mrd. US$) auszugleichen.
Aber dies scheint nicht zu reichen. Gleichzeitig versucht Chávez durch internationale Abkommen über Kredite gegen Öllieferungen an mehr Bargeld zu kommen. Das kürzlich abgeschlossene Abkommen mit Brasiliens Banco Nacional de Desarrollo Económico y Social (Bndes), das die vereinbarte Kreditsumme direkt mit den venezolanischen Öllagerstätten besichert, soll den bedrohlichen Verlauf der verzweifelten Suche nach Mitteln belegen.

Venezuela erhält von Bndes ein Darlehen in Höhe von 4,3 Mrd. US$. Als Gegenleistung - und hier weicht Chávez von seiner etablierten Praxis ab - wird nicht eine regelmäßige Öllieferung zu festgelegtem Preis vereinbart, sondern direkt Teile der Erdöl-Lagerstätten im Orinoco-Feld als Sicherheit geboten.
Strategisch sehr vorteilhaft kann Brasilien die abnehmenden Einnahmen Venezuelas nutzen. Die vielen Milliarden Dollar, die zur Finanzierung und Aufrechterhaltung der vielen bolivarischen Missionen und diverser Projekte dienen werden, zeigen, wie wenig nachhaltig und kostspielig diese ausgelegt sind. Brasilien profitiert zusätzlich dadurch, dass das gegebene Geld gleich wieder in Projekte investiert wird, die von brasilianischen Unternehmen durchgeführt werden. So ist z. B. die brasilianische Firma Odebrecht mit dem Ausbau des Netzes der Metro von Caracas beauftragt - das Geld fließt gleich wieder zurück nach Brasilien. Zusätzlich hat sich Brasilien die Zusage gesichert, dass brasilianische Unternehmen - im Gegensatz zu anderen internationalen Unternehmen - nicht durch Chávez Enteignungswut betroffen werden. Firmen aus dem politisch verbündeten Argentinien, die in Venezuela operierten, genossen dieses Privileg nicht.

Der beklemmendste Aspekt an diesem Abkommen ist jedoch, dass zu seiner Erfüllung das venezolansiche Regime den Sinn des Gesetzes der öffentl. Finanzverwaltung ignoriert und sich zu einem offenkundigen Verfassungsbruch bewegen lässt
Das geltende Gesetz der öffentl. Finanzverwaltung legte in Artikel 93 fest, dass die staatliche Verwaltung keine Kreditgeschäfte eingehen darf, die mit nationalen Vermögenswerten oder Einnahmen besichert werden. Die Nationalversammlung hat im Eilverfahren dem Gesetz einen Passus hinzugefügt, die diese Einschränkung nach Belieben aufhebt.
Dies ist ein übliches Manöver der Gesetzesmaßschneiderei durch Chávez' Gehilfen in der Legislative und leider mittlerweile nicht weiter aufsehenerregend. Was kritisch bleibt, ist ein weiterer Bruch mit der Verfassung: Artikel 12 der Verfassung Venezuelas definiert die nationalen Lagerstätten für Erdöl und andere Bodenschätze als nicht übertragbar ("inalienables e imprescriptibles").

Diese weitere Verletzung von Geist und Wortlaut der Verfassung durch das Regime zum Erhalt eines dringend benötigten externen Kredits zeigt die Verzweiflung der Staatsführung. Bislang hat man, wann immer möglich, Maßnahmen in das Gewand der Legalität zu kleiden versucht, um die inneren Verhältnisse nach den Vorgaben und Vorstellungen des comandante zu gestalten. Jetzt lässt man sich schon durch internationale Kreditzusagen dazu berwegen...
Die vergangene Wirtschaftspolitik, die offenbar zu keinem Zeitpunkt am der langfristigen Stabilität der Volskwirtschaft orientiert war, hat das Land in eine derart schwierige Lage gebracht. Wie das Regime wichtige Schutzmechanismen gegen mögliche Einnahmerückgänge abgebaut hat, kann man in dem FIEM Beitrag nachlesen.
Es ist zu erwarten, dass die öffentliche Verwaltung aufgrund der wegfallenden Einschränkung der Kreditbesicherung in Zukunft einen starken Anreiz erleben wird, die Summe der öffentlichen Verschuldung drastisch zu vergrößern.

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