Von einer Bananenrepublik ohne Bananen und mit viel Erdöl

Venezuela

Freitag, 12. Juni 2009

Einseitige Aussenwirtschaft - Teil 2: Importe

(Fortsetzung. Siehe Teil 1: Exporte)

Der in den vergangenen Jahren steigende Ölpreis hat das venezolanische Exportvolumen stark ansteigen lassen. Gleichzeitig hat auch der Betrag der Importe zugenommen. Stimuliert werden und wurden Importe zusätzlich durch das geltende Wechselkursregime.
Auf den ersten Blick mögen die dargestellten Entwicklungen nicht aussergewöhnlich erscheinen, die Details offenbaren jedoch bemerkenswerte Besonderheiten zu Umfang und Struktur der Einfuhren.

Zentraler Mechanismus für Importe ist der seit Jahren fixierte offizielle Wechselkurs von 2,15 Bs.F/US$ und die Devisenzuteilung an Bürger und Unternehmen seitens CADIVI. Dollar, die Importeure zum Kauf von Gütern im Ausland benötigen, können zum offiziellen Kurs bei der Zentralbank für Bolívares erworben werden, wenn CADIVI die Zuteilung genehmigt.
Hierbei machte der festgelegte Wechselkurs bei gleichzeitig hohen Infaltionsraten der letzten Jahre (zwischen 13 und 31%) Auslandsgüter vergleichsweise billiger und heizte den Import an. Auf der anderen Seite teilt CADIVI seit Ende 2008 die wegen Einbruch des Ölpreises nicht mehr so deutlich wachsenden Dollarreserven nur noch in viel geringerem Umfang zu. Die Lücke zwischen Dollarbedarf für den Import und dem tatsächlich offiziell zugeteilten Volumen müssen private Importeuere in grösserem Umfang am illegalen Parallelmarkt decken, an dem der reale Dollarkurs ein vielfaches der 2,15 Bs.F/US$ beträgt (siehe hierzu Beitrag "¿Dólares? No hay...").

Nachfolgend meine grafische Darstellung der vom Banco Central de Venezuela (BCV) zur Verfügung gestellten Daten. Abbildung 1 zeigt die absoluten Werte der Exporte und Importe der letzten Jahre. In Abbildung 2 ist ersichtlich, dass der Umfang der Importe seit 2001 (mit Ausnahmen) stärker gewachsen ist, als die Exporte. In 2002 und 2003 ist das Importvolumen als Folge der landesweiten Generalstreiks gesunken, während in 2008 der Rekordölpreis das Exportvolumen im Vergleich stark vergrösserte.



Der grosse Petrodollarzufluss und der importbegünstigende feste Wechselkurs haben dazu geführt, dass die Nation mittlerweile zunehmend auf Einfuhren angewiesen ist. Oftmals kann die inländische Produktion nicht mit dem (dank fixierten Wechselkurs) vergleichsweise billigerem Ausland mithalten und wird durch Importe substituiert. Heute betrifft dies nicht nur Maschinen, Ausrüstung und Ersatzteile, sondern in stark zunehmendem Maße auch schon Basisgüter wie Lebensmittel, Vieh und Feldfrüchte.

Abbildung 3 zeigt die Exporte und Importe des öffentlichen Sektors (Staat bzw. Staatsunternehmen), die nicht erdölbezogen sind. Ausfuhren des öffentlichen Sektors waren tendenziell höher als die getätigten Einfuhren. Diese Entwicklung kehrt sich in 2007 deutlich um.
Es fällt auf, dass die staatlichen Einfuhren allein des ersten Quartals 2009 bereits höher sind als die irgendeines Gesamtjahres von 1997 bis einschliesslich 2005. Im ersten Quartal 2009 waren die staatlichen Einfuhren mit 1,64 Mrd. US$ fast doppelt so hoch (+ 93%) wie im ersten Quartal des Vorjahres (Einfuhren des privaten Sektors wuchsen im Vergleich nur um 2,3%).


In Abbildung 4 sind Exporte und Importe des privaten Sektors (nicht erdölbezogen) gegenübergestellt. Seit 2005 ist das private Einfuhrvolumen höher als je zuvor. In diesem Jahr wurde auch zuletzt der offizielle Wechselkurs geringfügig angepasst und somit die "Wechselkurssubvention des Imports", die 2003 eröffnet wurde, fortgeführt.
Es ist zu erwarten, dass in 2009 die privaten Importe wegen abkühlender Konjunktur und v.a. der strengen Devisenzuteilung stark zurückgehen. Man darf nicht vergessen, dass die abgebildeten Einfuhren in 2009 teilweise noch auf Bestellungen aus 2008 - als die Devisen noch nicht so knapp rationiert waren - beruhen.


Es ist eine deutliche Umstrukturierung der Einfuhren nach Sektor festzustellen. Während der private Sektor die Einfuhren zurückfährt, nimmt das Importvolumen des staatlichen Sektors weiter zu. Letztere sind in ihrem Höhepunkt im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2004 um ca. 647% gewachsen (Abbildung 5), während die privaten im Vergleich maximal um ca. 253% stiegen (Abbildung 6). Der Staat nimmt immer grösseren Anteil an den Einfuhren und somit auch an der Entscheidung darüber, was importiert wird.



Dieser Sachverhalt scheint problematisch. Die gesamten Einfuhren für 2009 dürften sinken (Häfen registrieren Einfuhrrückgang um 35-50%), da privatwirtschaftliche Importeure immer seltener notwendige Devisen erhalten. Zusätzlich sind sie gezwungen in 2009 viel mehr ihrer Devisen auf dem Schwarzmarkt zu erwerben (heutiger Kurs ca. 6,52 Bs.F/US$, die Devisenzuteilung zum offiziellen Kurs in den ersten vier Monaten von 2009 betrug gerade einmal 46% des Vorjahreszeitraumes) und zahlen somit einen höheren Preis für ihre Einfuhren. In 2008 wurden nur 5% er Importe durch teurere illegale Dollar getätigt, für 2009 schätzt man den Anteil auf ein Drittel. Dies hat zur Folge, dass hiermit auch Inflation importiert wird (und den rasanten Preisniveau-Anstieg weiter antreibt). So lässt sich an den Zahlen des BCV erkennen, dass die Großhandelspreise importierter Güter in den ersten fünf Monaten von 2009 um 15,7% gestiegen sind. Da die venezolanische Wirtschaft in diesem Jahr nicht wächst, sondern eine Rezession erlebt (mehr zu einer möglichen Stagflation an anderer Stelle), geht auch die Konsumintensität zurück. Möglicherweise werden nicht alle Unternehmen in der Lage sein, aufgrund der höheren Kosten und nicht wachsender Nachfrage weiterhin am Markt zu bleiben und aufgeben. Der staatliche Sektor wird nicht durch die strengen Devisenzuteilungen betroffen, so dass er weiterhin sehr günstig im Ausland kaufen kann. In dem Maße, in dem Private nicht mehr die Nachfrage durch Einfuhren bedienen können, wird der Staat seine Importe auf hohem Niveau halten oder steigern und sicherlich weniger nachfrageorientiert und mehr aus politisch-strategischen Erwägungen die Versorgung durchführen. Die hohe Importtendenz der letzten Jahre hat sich hemmend auf die inländische Produktion ausgewirkt. Die zuletzt großen Einfuhren von wichtigen Basisgütern, besonders Agrarerzeugnisse, durch den Staat könnten auch hier wie starkes Gift für die einheimische Erzeugung wirken. Eine Fortführung der dargestellten Trends führte zu einer noch stärkeren Abhängigkeit vom Ausland. Zum einen, weil aus dem Ausland immer stärker nationaler Bedarf gedeckt werden muss; zum anderen, weil zur Importation immer häufiger der Staat Transaktionen vornimmt und die ölpreisabhängigen und heute fast ausschliesslichen Petroleumeinnahmen zur Finanzierung der Einfuhr verwendet. Die Einseitigkeit zugunsten der staatlichen Rolle in Ausfuhren und Einfuhren wächst.

2 Kommentare:

  1. Sehr gut dargestellt. In Gegensatz zu anderen bin ich aber nicht mehr der Meinung, dass die Entwicklung der Erdölpreise das Ende dieser Regierung darstellen wird.
    Es werden andere Gründe sein. Ob der Erdölpreis weiter steigt - davon gehe ich aus - oder er irgendwo unter $90 "stagniert", die Regierung kann nun sehr leicht (ceteris paribus) eine Reihe von Massnahmen ergreifen, um jahrelang an der Macht zu bleiben. Zum einen wird die Staatsgewalt brutal werden. Zum anderen wird die Regierung versuchen, das Land immer mehr zu isolieren und Desinformation in grossem Stil zu treiben. Schliesslich wird die Regierung insbesondere bei nicht steigenden Erdölpreisen auch bereit sein, für Venezuela extrem ungüngstige Verträge zu unterzeichnen, um einige Jahre lang noch Cash zu erhalten. China (aber nicht nur) lässt grüssen.
    Wir haben schon von einigen dieser Verträge schon erfahren.

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  2. die wahrscheinlichkeit, dass die erdöleinnahmen in absehbarer zeit so stark zurückgehen (oder auf dem jetzigen level bleiben) und das regime sich durch geldmangel bedroht sieht, erscheint auch aus meiner sicht nicht als hauptfaktor.

    aber die verfügbarkeit von geld in hugos kasse heisst nicht unbedingt, dass die lebensqualität für venezolaner steigt.
    wir können vielleicht ohne presse- oder meinungsfreiheit (über-)leben, aber spätestens wenn die lebensqualität im bereich des überlebenswichtigen deutlich abnimmt, wird die unzufriedenheit zunehmen. je mehr wirtschaftliche funktionen der staat übernimmt, desto höher sind die damit verbundenen sozialen kosten durch ineffizienz, korruption und einer zentral (also nicht von den individuen gemäss ihrer präferenzen und möglichkeiten) gelenkten allokation. wir sehen die anzeichen bereits bei den großen staatsunternehmen wie zB PDVSA, CVG, banco industrial und den läden von pdval/mercal.

    schon jetzt setzt die regierung viele resourcen zur neutralisierung von disidentes ein (zB zuletzt die hundertschaften der guardia nacional im hause von herrn zuloaga) und verschlechtert gleichzeitig die lage aller bürger - auch der chavistas. wie wir alle feststellen konnten, hat die kriminalität in den letzten jahren bis ins unterträgliche zugenommen. ich gehe davon aus, dass die kommende zeit davon geprägt sein wird, wie das regime die ihm zur verfügung stehenden mittel stärker zu seinem machterhalt und zur repression der durch die schlechten lebensumstände wachsende unzufriedenheit einsetzen wird ohne die gründe für diese aufheben zu können.

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