Von einer Bananenrepublik ohne Bananen und mit viel Erdöl

Venezuela

Samstag, 6. Juni 2009

El Vergatario



Ein Mobiltelefon made in Venezuela zeigte Präsident Chávez der Welt in seiner sonntäglichen TV-Show. Die Markteinführung sorgte im In- und Ausland für Schlagzeilen, jedoch aus unterschiedlichen Gründen.
Während die einheimische Presse hauptsächlich die Knappheit der nachgefragten Telefone verfolgte, fanden ausländische Medien einen Aufhänger an dem ungewöhnlichen Namen des Geräts.

Was Präsident und staatliche Medien nicht erzählen: Know how und Teile liefert das chinesisches Telecom-Unternehmen ZTE. Trotz der Bezeichnungen als venezolanisches Mobiltelefon, findet im Land lediglich die Endmontage des ZTE C366 „El Vergatario“ durch Vetelca statt (Gemeinschaftsunternehmen von venezolanischem Staat, 85%, und ZTE, 15%). Neben den üblichen Ausstattungsmerkmalen (Radio, MP3-Player, Kamera, WAP-Browser) kann man damit sogar telefonieren.
Besonders bemerkenswert ist der Preis. Für nur umgerechnet 14 US$ kann man El Vergatario erwerben – wenn man ihn findet.

Laut dem mittlerweile auch staatlichen Telekomunternehmen Móvilnet, ist für 2009 die Herstellung von 600.000 Einheiten geplant. Allerdings steht die Vertriebsorganisation in keinem Verhältnis zu der Werbung, die – an prominentester Stelle – Chávez dafür gemacht hat. In den ersten Tagen waren in den Filialen von Móvilnet nur sehr wenige oder keine der neuen Telefone zu bekommen. Lange Menschenschlangen, die teilweise seit Morgengrauen warteten konnten nicht bedient werden und auch in den folgenden Tagen trafen keine Geräte ein. Auch im virtuellen Laden der Móvilnet-Seite findet sich keine Bestellmöglichkeit des Vergatario.
Sollte Vetelca ähnlich ineffizient geführt werden, wie es bei anderen Staatsunternehmen selbst in vitalen Schlüsselindustrien zu beobachten ist (allen voran PDVSA und CVG), bleibt die Erhöhung der geplanten Produktion auf bis zu zwei Millionen Vergatarios in 2011 fraglich.

Mobiltelefone besitzen in Venezuela einen hohen Stellenwert. So steht das Land bei Käufen von BlackBerry Telefonen weltweit an zweiter Stelle. Bürger, die relativ häufig viel Geld für ein neues BlackBerry ausgeben, können bei einem zusätzlichen Kauf des Vergatario nicht viel verkehrt machen. Und zwar nicht primär aus ökonomischer Sicht. Wer sich kein BlackBerry leisten kann, findet im Vergatario endlich etwas „trendigeres“ (dank des vom Präsidenten genährten Hypes), was sich aus der Masse der unspektakulären Telefone des untersten Preissegments abhebt und gleichzeitig als politisches Statement zählt.
„Wer kein Vergatario besitzt, ist nicht links“, deklarierte Hugo Chávez halb im Scherz (?). Möglicherweise lässt sich in Venezuela bald ein neues Phänomen beobachten: Das Volkshandy dient als Ausweis der politischen Zugehörigkeit. Deshalb kann es nicht schaden, für alle Fälle eines (ggf. als Zweithandy) zu besitzen.

Die ausländischen Medien interessierten sich weniger für die recht konventionelle Technologie des Telefons oder seinen niedrigen Preis, sondern stellten vor allem auf den recht ungewöhnlichen Namen ab.
Verga heisst zunächst einmal „Penis“; die Adjektivierung vergatario wird in Venezuela aber benutzt, um etwas als besonders toll, hervorragend oder gut (vgl. „geil“) zu bezeichnen. Auf Deutsch hieße das Gerät in ähnlich vulgärem Sinne etwa "Pimmelhandy" oder "das Geile". In der englischsprachigen Presse reichen die Übersetzungen von penis cellphone über phallic phone bis dickphone und sorgten für reichlich Amusement. Die regierungskontrollierte Agentur ABN sah dahinter selbstverständlich ein Komplott zur Schmälerung des Ruhmes dieser revolutionären Errungenschaft (deren Name sie von Hugo Chávez erhielt).
Meine persönliche Lieblingsübersetzung von El Vergatario ins Englische stammt von amerikanischen Studenten: The Dick-tatorial.

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