Von einer Bananenrepublik ohne Bananen und mit viel Erdöl

Venezuela

Donnerstag, 16. April 2009

Venezuela, Deine Gaue

Die Ereignisse der letzten Tage spiegeln die Missachtung der Verfassung durch Chávez und seine Gefolgschaft wider. Zunehmend verliert Geist und Wortlaut dieses obersten aller Gesetze für die von der Regierung abhängigen Staatsorgane an Bedeutung. Sämtliches staatliches Handeln findet sein oberstes Gesetz an anderer Stelle: Chávez' Wort.
Der in einem vorangegangenen Beitrag beschriebene Bruch mit dem Verfassungsmässigen hat sich verschlimmert. Trotz unmissverständlicher Vorgaben des Verfassungstextes, wird dieser schon bei der Verabschiedung von Gesetzen durch die Asamblea Nacional (AN) ignoriert.

In dem o. g. Beitrag ging es, neben anderen Dingen, auch um die Entmachtung der Bezirks- und Landesregierungen durch (verfassungswidrige) Übertragung von Bundesstaatskompetenzen an die Zentralregierung. Besonders skandalös war zu diesem Zeitpunkt das von der AN vorgelegte Gesetz zur Schaffung einer vom Präsidenten zu ernennenden Gouverneursstelle für den Hauptstadtdistrikt. Caracas unterseht seit Inkrafttreten der Verfassung von 1999 einem regelmässig gewählten Oberbürgermeister als oberste Exekutivinstanz.
Das unrühmliche Gesetz ist mittlweile in Kraft und umgehend hat der Präsident die Ermächtigung verwendet, um eine treue Chavistin, Jacqueline Faría, zur Gouverneurin des Hauptstadtdistrikts zu ernennen ("Jefa de Gobierno" ist der offzielle Titel, das Regime vermeidet aus Verschleierungsgründen das Wort "Gouverneur"). Dieser repräsentiert zwar nicht die gesamte zum Oberbürgermeisteramt gehörenden Metropolregion Caracas, sondern lediglich einen der fünf Bezirke. Allerdings spricht das verfassungswidrige Gesetz der neuen Gouverneursfigur als Regierungssitz und Budget das zu, was bislang Sitz und Haushalt der (derzeit oppositionellen) gewählten Stadtregierung war. Der im November 2008 von der überwiegenden Mehrheit der caraqueños zum Oberbürgermeister gewählte Antonio Ledezma steht nun ohne Büro, Regierungssitz und Budget da. Knock out.

Das neue Gesetz sieht ebenfalls die Schaffung von weiteren durch den Präsidenten zu besetzende Posten für alle weiteren Teile des Landes vor. Die Entmachtung Ledezmas als Oberbürgermeister von Caracas statuiert nicht nur ein Exempel an einem aussichtsreichen Widersacher, sondern ist gleichzeitig Präzedenzfall (Sündenfall) für eine noch beklemmendere Vision: Der Präsident kann nun - im völligen Widerspuch zum föderal definierten Charakter der Republik - "seine" Gesandten über die verfassungsmässigen und gewählten Regierungen der Bundesstaaten einsetzen.

Kommt das jemandem bekannt vor? Genau das selbe Konzept wurde während des Dritten Reichs umgesetzt. Dort hießen diese von Hitler eingesetzten Verantwortlichen "Gauleiter" und ihre Machtbezirke "Gaue". Schon damals dienten diese aus den Reihen der NSDAP Verlesenen als nicht verfassungsmäßige Überbrückung der gewählten Organe.
In dieser Betrachtung folge ich "Venezuela News and Views" und Teodoro Petkoff von TalCual. Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass Vergleiche der Gegenwart mit dem Dritten Reich grundsätzlich schal sind und man sich eigentlich schwer tut den Superlativ des Nationalsozialismus als vergleichbar zu erachten, aber: Hört es sich an wie ein Pferd und sieht es aus wie ein Pferd, dann ist es sicherlich ein Pferd.

Sollte ein oppositioneller Kandidat zukünftig durch die Mehrheit der Wähler die Verantwortung für einen Bezirk oder ein Bundesland erhalten, muss er befürchten, dass ihm ein Vorgesetzer durch die Zentralregierung zugeteilt wird, der dem gewählten Amt lediglich symbolischen Wert lässt ("Aber ja! In Venezuela darf jeder wählen!"). Caracas Chronicle's Artikel zieht recht passende Vergleiche der nun in Venezuela nur noch auf dem Papier vorhandenen Verfassung und denen anderer totalitärer Staaten, deren Wortlaut nichts mit der politischen Realität gemein hat und dadurch tot und leer bleibt.
Es ist ein finsterer Aspekt dieser Bananenrepublik, dass Wählerstimmen immer dann gut sind, wenn sie Chávez die Mehrheit verschaffen und ansonsten lästig und nicht anzuerkennen.

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